Heimatfreund: Der Münzschatz von Steuden
Als Archäologe wird man oft mit der Frage konfrontiert, ob man bei Ausgrabungen schon einmal auf einen Schatz gestoßen sei. Sicherlich haben viele dabei die Abenteuer von Indianer Jones und Co. im Sinn. Doch zu deren Enttäuschung muss diese Frage fast immer verneint werden.
Auch wenn sich diese Wissenschaft in ihren Anfangstagen kaum von einer Schatzsuche unterschied, geht es dem modernen Archäologen nicht um das Auffinden von materiell wertvollen Dingen. Vielmehr werden anhand von Hinterlassenschaften des alltäglichen Lebens, Bilder aus längst vergangenen Zeiten rekonstruiert, aus denen sonst keine, oder nur sehr spärliche schriftliche Quellen überliefert sind. Eine schlichte Keramikscherbe kann dabei oft mehr Einblick gewähren als ein „Schatz“ aus Silber und Gold.
Dennoch treten manchmal auch in der Archäologie Entdeckungen zu Tage, die den Vorstellungen alla Hollywood sehr nahekommen: Um das Jahr 1910 wurde auf einem Acker, südlich von Steuden, ein ca. 9 Zentimeter hoher Henkeltopf aus sogenannter Irdenware entdeckt. Das mittelalterliche Keramikgefäß beinhaltete etwa 100 in Hälften geschnittene Silbermünzen (Abb. 1). Genauer handelte es sich dabei um Ellricher Hohlpfennige aus dem 14. Jahrhundert. Die Münzen zeigen ein Hirschgeweih mit drei Enden je Stange (Abb. 2). Wahrscheinlich entstammen sie der Prägeanstalt der Grafschaft Klettenberg. Ältere Quellen rechnen die Münzen den Grafschaften Stolberg oder Hohenstein zu.
Alle Münzen sind an der gleichen Stelle zwischen den beiden Hirschstangen zerschnitten. Solche als “Hälblinge” (auch: Schärf, Skaerf, Scherf, Helling) oder auch „Hacksilber“ bezeichneten Münzen, waren im Mittelalter ein probates Mittel um Kleingeld zu erhalten.
Münzschätze – wie im Steudener Fall – sind als Bargeldhorte, Sparstrümpfe oder zurückgelegte Notgroschen ihrer Zeit zu verstehen. Meist in Kriegs- oder Notzeiten wurden diese aus Angst vor Raub und Plünderungen in der Erde verborgen. Solche Münzhorte stellen damit auch einen authentischen Ausschnitt aus dem Geldumlauf dar. Gleichzeitig zeugen sie aber auch von Tragödien, denn ihre Besitzer waren in der Regel den Gewalthandlungen zum Opfer gefallen und konnten den bescheidenen Reichtum nicht mehr nutzen oder vererben. Eine Verpackung der Münzen in Keramikgefäßen war bis in die Neuzeit hinein üblich.
Mike Leske
(Stand: 13. August 2017)
Quellen:
- Monatsblatt des Vereins für Heimatkunde 1919. In: Ortsakte Steuden (OA-ID 2181), Landesamt für Archäologische Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, Halle.
- Kulturhistorisches Museum Merseburg, Sonderschau „Geformt-Gebrannt-Gebraucht. Keramik des Mittelalters und der Reformationszeit vom 16. 11. 2013 bis 16.02.2014.